Fête de la St Nicolas
Am Abend des 6. Dezembers fand sich nach und nach eine kleine, aber feine Gruppe von
Bewohnerinnen und Bewohnern der Liegenschaft Bielstrasse 50-54 im Hinterhof zu einer
Nikolausfeier ein. Auch ein Mitglied der Geschäftsstelle gesellte sich dazu.
Alle Beteiligten brachten eine Kerze mit, eine Tasse und einen St. Nikolausbänz. Die Kerze
für die Seele, die Tasse für den Glühwein und den Bänz für das leibliche Wohl. Das heisse
Getränk wurde vom Genossenschaftskommissionsmitglied H. Berger und seiner Frau
offeriert, die auch für die Einladung zuständig waren.
Kerze um Kerze trugen zu einem immer heller werdenden Licht bei, das tapfer Nacht und
Wind trotzte. Dampfend füllten sich die Tassen mit heissem Punch, und auf dem Tisch
versammelte sich eine stetig wachsende Anzahl von kleineren, grösseren, dicken, dünnen,
staunenden, mit Hosen, Halstuch, Hut, ja mit Schuhen oder gar nicht bekleideten St.
Nikolausbänzen, alles Unikate mit eigenem Charakter und besonderer Ausstrahlung, wie
man gleich merken wird:
- Mein Hut, der hat drei Ecken, drei Ecken hat mein Hut! Sang Bänz 1 mit grossem Hut auf
kleinem Kopf, die Hände tief in den Hosentaschen.
- Mag sein, dafür hast du keinen Hals! Warf Bänz 2 ein, braun gebrannt, mit Schlaghosen
wie ein 68ger samt Tabakpfeife.
- Und dich hat man wohl etwas zu lange gebacken! Entgegnete Bänz 3, der einen Vollbart
aus Hagelzucker trug. Er stiess Bänz 4 mit dem Ellbogen in die bleiche Seite und blinzelte
verschwörerisch mit einem Rosinenauge; doch Bänz 4 ging nicht darauf ein, er kam vom
Schlossbeck und hielt sich für etwas Besonderes…
- Messieurs, voyons voir! Beschwichtigte Bänzchen 5, ein Wichtel mit Ärmchen wie
Engelsflügel, aber ohne Augen.
Bänz 6, eigelbglänzend, hellbraun gebacken, mit Augen, Ohren, Mund und Hals, aber ohne
Französischkenntnisse, schaute blasiert vor sich hin und spitzte sein Mäulchen wie zum
Pfeifen.
- Was da Messieurs?! Säuselte Bänz 7, war er doch eine Sie mit Zöpfen bis zu den Hüften.
Mit ihren Haselnussaugen zwinkerte sie Bänz 8 zu; dieser, oben ein Schwarzenegger und
unten ein Viktor Giacobbo, wölbte seine Brust noch weiter vor und wollte-.
– Lasst uns froh und munter sein! Platzte da plötzlich Bänz 9 herein, ein Buddha mit
traurigen Augen, von Natur aus ohne Beine, dafür mit umso grösserem Bauch.
- Und hätt er nicht drei Ecken, so wär es nicht mein Hut! Versuchte ihn Bänz 1 zu übertönen,
obschon unterdessen seine Kopfbedeckung schon den Weg in einen Mund gefunden hatte
und mit einem Schluck Glühwein versenkt worden war…
- Voyons voir, un peu de respect! Liess sich Bänzchen 5 wieder vernehmen, dem jetzt zu
den Augen auch ein Arm und ein Fuss fehlten.
- Unterdessen hatte sich der halbe Schwarzenegger etwas ausgedacht: T’as de beaux yeux!
Raunte Bänz 8 Bänzin 7 zu, die heftig errötete, kam ihr doch gerade in diesem Augenblick
ihre Haartracht abhanden…
- Lustig, lustig, traleralera! Schalmeite Bänz 9 und wackelte mit seinem Bauch.
- Bänz 10 mit O-Beinen wie einst John Wayne, rollte die Augen und wollte sich mit der Hand
versichern, dass seine Neymarfrisur nach wie vor sass, d.h. stand, realisierte dann aber,
dass ihm schon beide Arme samt Händen flöten gegangen waren…
- Bänz 11 fingerte an den Dropsknöpfen seiner Uniformjacke herum, bestimmt hätte er dabei
ein seliges Lächeln auf den Lippen gehabt, wenn er nicht schon den Kopf eingebüsst gehabt
hätte.
- Für Bänzin 12, in Leggins plus Gurt, aber ohne Füsse, hatte Bänz 6 etwas höchst
Anziehendes bis zum Moment, als diesem die rechte Wange samt gespitztem Mäulchen
verlustig ging…
- Bänz Nr. 13 war ein Glückspilz, unversehrt lag er in seinem Papiersack und freute sich
darauf, nach Hause getragen zu werden und dort ein Kind zu beglücken.
- Niklaus ist ein guter Mann, dem man nicht genug danken kann! Waren die letzten Worte
von Bänz 9, bevor er sich im Glühwein davonmachte.
- Auch von Bänz 14 war nur noch ein Bein übrig, sein linkes Bein, ein besonders schönes
Bein, aber ganz allein.
- Und was Bänz 15 betrifft, so hätte ich ihn euch liebend gerne beschrieben, war er doch mit
exquisiten Biozutaten, grosser Hingabe und aussergewöhnlichem Talent geknetet, geformt,
verziert, bepinselt und gebacken worden, aber zu diesem Zeitpunkt war er schon bis auf
zwei Brosamen auf dem Tisch gegessen und mit viel Glühwein runtergespült worden…
Hans Berger, Genossenschaftskommissionsmitglied
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